Surselva – am jungen Rhein
Die grandiose Rheinschlucht und das Gletscherhochtal Val Frisal zählen zu den herausragenden Naturlandschaften der Schweiz. Hoch darüber führt eine Bergwanderung bis ganz nah ans ewige Eis. Untem im Dorf warten Bündner Köstlichkeiten auf hungrige Wanderer.
[Best of Wandern Magazin 2020]
Wie Heidis Großvater winkt uns Julian Cathomas mit seinem wallenden, grauweißen Bart aus der Tür eines sonnen- und wettergegerbten Maiensäss im alten Ortskern von Brigels zu. Beim Betreten der »Tegia Rasuz« – so heißt das alte Holzhaus – beginnt eine Zeitreise in das Leben, zu den Traditionen und in die Küche seiner Vorfahren. Wie zur Einstimmung läutet just im gleichen Augenblick die Glocke in der romanischen Kapelle St. Martin direkt nebenan. »Gleich gibt es Essen. Seid ihr hungrig?« Was für eine Frage. Nach dem anstrengenden Tag am Berg hoch über dem Dorf sind wir hier genau richtig. Von Brigels oder der Bergstation Burleun des Sesselliftes zieht ein schmaler Bergweg über herrlich freie Hänge immer weiter hinauf, vorbei an winzigen Alphütten, zuletzt durch eine bizarre Felslandschaft, bis zur kleinen Bifertenhütte am Rand der Gletscherberge. Der eisgepanzerte Bifertenstock scheint hier zum Greifen nah und ist doch unerreichbar. Ein lohnendes, kleines Gipfelziel für trittsichere Bergwanderer ist das Kistenstöckli über der Hütte. Der kecke Felskopf wird über schuttrige Steilhänge (kurz auch mit Hilfe einer Kette) über seine Rückseite erstiegen. Wer Glück hat, entdeckt die Steinbock-Kolonie oder Gämsen in den Steilhängen über dem eindrucksvollen Val Frisal. Der Rückweg erfolgt entweder auf der gleichen Route zurück nach
Burleun oder an der kleinen Alphütte Rubi Sura rechts ins weit unten liegende Tal der Flem absteigend nach Brigels. Dank ihrer geografischen Lage vereint die Surselva den Norden mit dem Süden, was sich auch in der lokalen Küche widerspiegelt: Maluns, Bulzani, Capuns oder Pizokel heißen einige der fremd klingenden und ausgesprochen wohlschmeckenden Gerichte. »Es sind einfache Speisen, die sehr nahrhaft sein mussten«, erklärt Julian, »und die früher vor oder nach der Feldarbeit gegessen wurden. Zum Teil hat man den Gerichten Kartoffeln untergemischt, damit sie mehr satt machten.« Einfach war das Hirten- und Bergbauernleben früher sicher nicht. Von den vielen Rezepten in seinem Kopf verrät er uns heute drei, Bulzani, der erste Gang – eine Art Kaiserschmarrn aus Sultaninen, zweierlei Käse und Apfelmus
– bruzzelt schon auf dem Herd. Gegessen wird aus der großen Pfanne, die noch heiß vom Feuer in die Mitte des knorrigen sches gestellt wird. Hauptgang sind »Capuns«, das wohl bekannteste Bündner Gericht. Ein einfacher Nudelteig mit fein geschnittenem Rohschinken oder
Salsiz (der Bündner Nationalwurst) wird mit Mangoldblättern umwickelt und in Milch und Bouillon gekocht. Mit Käse und ausgelassenen Speckwürfeln serviert, sind sie das Synonym für die Sursilvaner Küche. Die macht nicht nur enorm satt, sondern auch glücklich. Zum Nachtisch kochen wir noch »Buglia da aunghels«, Engelsbrei – frei übersetzt. Wo wir den hinessen sollen, wissen wir eigentlich nicht. Aber wir sind sicher, Platz findet sich für die süße Köstlichkeit aus Weißbrot, Sahne und Zucker sicherlich noch.
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