Die Schweizer Ferienorte Grindelwald, Wengen, Mürren und Lauterbrunnen im Berner Oberland liegen zu Füßen der mächtigen Bergkolosse Eiger, Mönch und Jungfrau. Eine Kulisse, die mächtig Eindruck macht.
[Nature Fitness]
Grindelwald, 7:47 Uhr. Ein Pfiff. Es ruckt kurz. Langsam rollt der grün-gelbe Zug der Wengernalpbahn an, verlässt den Bahnhof und setzt zu einem Downhill in den Talgrund an. Die richtige Platzwahl ist vor der Kehrtwende im Bahnhof Grund wichtig. Jetzt füllt sich der Zug. Rechts sitzen verheißt Aussichten auf grüne Vorberge. Links der gewaltige Blick auf die Eiger-Nordwand. Ankunft Kleine Scheidegg, umsteigen!
Die Farbgebung Rot der Jungfraubahn harmoniert wunderbar mit grünen Wiesen, weißen Gletscherbergen und dem Blau des Himmels. Es geht weiter bergauf. Sekunden nach der Station Eigergletscher taucht die zahnradbetriebene Bahn plötzlich aus dem gleißenden Licht der Morgensonne in die Finsternis ein. Wir sind im Berg. Der Zug gleitet scheinbar mühelos bergwärts, mitten durch die Wand, vorbei an den Schauplätzen von Tragödien und Triumphen, die sich da draußen abspielten.
Zum Beispiel das Drama der Erstbesteigung von Andreas Hinterstoißer und Toni Kurz aus Berchtesgaden und den österreichischen Bergkameraden Willy Angerer und Edi Rainer, damals, im Juli 1936. Am 23. Oktober kommt die Verfilmung »Nordwand« (mit Benno Fürmann und Florian Lukas, Regie Philipp Stölzl) in die Kinos. Es schaudert uns eiskalt über den Rücken beim Blick durch die Panzerglasscheiben hinab in die dunkle kalte Wand. Auch beim Gedanken an den Überlebenskampf von Toni Kurz, der keine drei Meter über den vermeintlichen Rettern scheiterte, weil ein zu dicker Seilknoten den Weg in die Sicherheit verwehrte. Toni starb einen elend langsamen Tod.
Zweimal fünf Minuten stoppt die Bahn bei der Fahrt aufs Jungfraujoch. In der Eigerwand und an der Station Eismeer. Hier ist alles freundlicher, lichtdurchflutet. Grünlich schimmernde Eiskaskaden stürzen wirr übereinander gewürfelt den Berg hinab, die Sonne blitzt gerade über den Kamm des Wetterhorns und taucht alles in helles Weiß. Next Stop – Top of Europe! Schon beim Ausstieg steigt Vorfreude auf, die steigert sich mit jedem Schritt durch die langen Stollengänge. Endlich, der letzte Schritt hinaus in die Gletscherwelt am Jungfraujoch. Schnee knirscht pickelhart unter den Schuhsohlen. Wir rutschen. Fangen uns lachend gegenseitig auf. Blickend staunend in die Runde und freuen uns über die zunächst schwere Entscheidung, so früh und ohne Frühstück mit dem ersten Zug hinauf zu fahren. Jeder Schritt in Richtung Oberes Mönchsjoch bietet mehr Panorama. Der Aletschgletscher, die Jungfrau, die Eiswand des Mönch. Zwei Punkte sind mitten in der eindrucksvoll steilen Flanke erkennbar. Langsam gewinnen die beiden an Höhe, während wir nach Luft japsend an der gemütlichen Hütte in 3657 Metern Höhe ankommen. Zeit für den Morgenkaffee.
Von Wengen und Grindelwald surren Gondelbahnen bis zum Männlichen. Ein Spazierweg verbindet ihn mit der Kleinen Scheidegg, die Eiger-Nordwand stets im Blick. Der Eiger ist weder der schönste noch schwierigste, nicht der eleganteste, geschweige denn der höchste Berg der Berner Alpen. Die Mächtigkeit seiner 1800 Meter hohen Nordwand macht ihn zum Star. Egal von welchem Standort bewundert, immer fasziniert die hohlspiegelartig aufragende Felsmauer, deren Schlüsselstellen jeder Bergsteiger auswendig kennt: Spinne, Rampe, Götter- und Hinterstoißer-Quergang. Ersterstiegen wurde der 3970 Meter hohe Eiger vor 150 Jahren durch zwei Grindelwalder Bergführer und ihrem Gast: Charles Barrington, ein irischer Gelegenheitsbergsteiger. Vor 70 Jahren gelang nach etlichen Versuchen endlich die Durchsteigung der Nordwand zwischen dem 21. und 24. Juli 1938 durch eine deutsch-österreichische Seilschaft mit Heinrich Harrer, Anderl Heckmair, Fritz Kasparek und Ludwig Vörg. Die vier hatten sich erst auf dem zweiten Eisfeld verbunden und so unbewusst dem damaligen Regime in Deutschland ein gefundenes Propaganda-fressen serviert. 30 Jahre später gelang dem Südtiroler Spitzenbergsteiger Reinhold Messner zusammen mit dem unvergessenen Toni Hiebeler die Erstdurchsteigung des Eiger-Nordpfeilers. Hiebeler hatte 1961 die Wand bereits als erster im Winter begangen. Im Jubiläumsjahr 2008 stellten die beiden Schweizer Roger Schäli und Simon Anthamatten in knapp sieben Stunden eine neue Bestzeit auf. Ein Schweizer, Ueli Steck, hält seit Februar auch den Speed-Rekord: Einmal Eiger-Nordwand von unten nach oben in 2 Stunden 47 Minuten! Beim »Kafi créme« auf der Terrasse des Restaurants Nordwand sind solche Leistungen kaum fassbar. Wir lassen es gemütlicher angehen, sitzen wenig später wieder im Zug von der Kleinen Scheidegg zur Station Eigergletscher, steigen diesmal aber vor dem Tunnel aus. Nach dem vormittäglichen Bummel vom Männlichen herüber, soll es noch der Eigertrail sein. So nah kommt Ottonormalbergwanderer der Nordwand nirgendwo sonst. Stets am Fuß der Wand entlang führt er fast beständig bergab über steile Alpweiden und Geröllhalden, vorbei an Wasserfällen bis zur Station Alpiglen der Wengernalpbahn. Schwierig ist er nicht. Fast magisch zieht es immer wieder die Blicke die Wand hinauf. Wenn Schnee- und Steinlawinen über den Köpfen rumpeln, gefriert das Blut in den Adern.
Neuer Tag, neue Bahnfahrt. Die Jungfrau Region ist nicht nur ein Eldorado für Bergwanderer, auch (Hobby-)Eisenbahner haben hier ihre helle Freude. Von Wilderswil bei Interlaken zuckelt eine Zahnradbahn auf die Schynige Platte. Einem der Ausgangspunkte für Wanderungen zum 2681 Meter hohen Faulhorn. Auf dem steht seit 1830 in nahezu unveränderter Form das berühmte Berggasthaus als ältestes seiner Art. 400 Höhenmeter darunter konkurriert der blauschimmernde Bachalpsee mit dem Farbenrausch der Bergwiesen und Gletscher. Dies ist sicher eines der meistfotografierten Postkartensujets der Alpen, hier ist immer viel los. Deshalb ein Tipp: Knapp über dem See quert ein Bergsteig zur Tierwang hinüber und von dort zum Südende des Bachalpsees. Hier ist es mal nicht der Eiger, der fasziniert. Im glasklaren stillen Wasser spiegeln sich die 4000-er Lauteraarhorn, Schreckhorn, Finsteraarhorn und die Fierscherhörner mit ihrer breiten Eiswand. Der Abstieg ist reine Lust und Laune. Ein grandioser Panoramaweg führt fast eben hinüber zur Bergstation der Firstbahnen und für ehrgeizige weiter zur Großen Scheidegg. Botanisch einmalig ist der Abstieg durch Alpenrosenfelder zum Waldspitz. Von beiden Zielen fährt das Postauto nach Grindelwald.
Wie Wengen ist auch Mürren nur mit der Bahn erreichbar. Anstelle der alten Standseilbahn zur Grütschalp werden die ersten 685 Höhenmeter seit Dezember 2006 von einer Luftseilbahn überwunden. Eine Adhäsionsbahn schlängelt sich dann auf romantischer Strecke über Alpweiden ins Dorf Mürren. Schneller geht es mit der Luftseilbahn von Stechelberg, deren Verlängerung bis aufs Schilthorn führt. Seit den Dreharbeiten zum James Bond Film »Im Auftrag Ihrer Majestät« ist der Panoramaberg mit seinem Drehrestaurant weltweit als »Piz Gloria« bekannt. Nur wenig erhebt sich der Allmendhubel über die sonnengegerbten Chalets von Mürren. Da der Eiger von hier »nur« seine Schmalseite zeigt, faszinieren besonders der kolossale Talschluss zwischen Gletscherhorn und Breithorn und das steile Gspaltenhorn. Elf beeindruckende Nordwände, darunter einige der spektakulärsten und schwierigsten Kletterwände der Welt sind vom Lehrpfad »Northface-Trail« besonders gut einzusehen. Zwölf Informationstafeln vermitteln Wissenswertes über die Besteigungsgeschichten dieser Berge. Noch intensiver lässt sich das Hintere Lauterbrunnental auf dem Themenweg des UNESCO-Welterbes Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn erleben.
Wir haben dem Teufel in den Schlund geschaut. Das Lauterbrunnental ist das Tal der höchsten Wasserfälle der Schweiz. Staubbach-, Trümmelbach- und Schmadribachfall sind nur die berühmtesten der insgesamt 72 Kaskaden, die sich über die himmelhohen Wände des Trogtals ergießen. Besonders hautnah lassen sich die Trümmelbachfälle erleben. In einer extrem schmalen Klamm, stürzen sich zehn Wasserfälle praktisch mitten im Berg über mehr als hundert Meter ins Tal. Ihr Wasser stammt von den Gletschern um Eiger, Mönch und Jungfrau. Dementsprechend mächtig sind sie besonders am Nachmittag, wenn der Schmelzwasserabfluss am stärksten ist. Anders als die meisten Besucher, sind wir durch den tosenden und finsteren Schlund bis zum Umkehrpunkt aufgestiegen. Das ist anstrengend aber eindrucksvoller. Ab der halben Strecke verkürzt dann ein Schrägaufzug den Abstieg zurück ins Tal. Und da lädt das altehrwürdige Gasthaus zum Lunch.