„Glockner schauen“

„Glockner schauen“

Am Horizont stehen Großglockner und Großvenediger. Wanderfalke, Steinadler und Bartgeier kreisen am Himmel, Wasserfälle tosen zu Tal – der Nationalpark Hohe Tauern in Osttirol ist genau das richtige Terrain für entschleunigtes Bergwandern.
[OutdoorWelten Som 2013]

Andreas Rofner bückt sich, deutet auf ein kaum sichtbares, flaches Pflanzenpolster am felsigen Boden. „Alpen-Mannsschild, das wächst sogar auf 4000ern“, erzählt er mir. Andreas Rofner ist einer von zehn Nationalpark-Rangern in den Hohen Tauern und Spezialist für Pioniervegetation. „Die zarten weißen Blüten auf dem grünen Kissen blühen dort, wo sich der Gletscher zurückgezogen hat.“ Ein harter Lebensraum, so einsam, zwischen Schutt und Geröll – aber auch ein faszinierend schöner. Zusammen mit einem Bergführer sind wir auf zweitägiger Schnuppertour in Osttirol, stets im Angesicht des Großglockners. Österreichs höchster Gipfel ist neben dem eisgepanzerten Großvenediger der unumstrittene Star unter den 241 Dreitausendern der Region. Rofner war auf allen oben. Wir bleiben eine Etage tiefer, wandern auf dem Knappentreck in die Vergangenheit, als tapfere Bergleute in dieser rauen Gipfelwelt nach Kupfererz und Eisen, aber auch Gold und Silber schürften. Heute ist es hier oben idyllischer und auch bequemer. Eindrucksvolle Kaltblüter schleppen unser Gepäck, während wir unbeschwert den Pfaden der Bergarbeiter folgen. Zwei Tage hochalpine Einsamkeit zum Genießen. Vom 400 Jahre alten Handelshaus in St. Jakob im Defereggental führen historische Pfade zu den Knappengruben im Trojeralmtal. Nach einer Stollenbesichtigung geben ein Kanten frisches Brot, Käse, Würste und Speck aus der Region neue Kraft für den Weiterweg zum Nachtlager auf der Reichenbergerhütte. Wer noch fit ist, steigt ein Stück weiter, auf den Bachlenkenkopf zum Sonnenuntergang, oder in aller Frühe im Sonnenaufgang auf den Fastdreitausender Gösleswand. Der Rundblick zur Venediger- und Glocknergruppe ist von dort oben unbeschreiblich eindrucksvoll. Vorbei an den tosenden Umbalfällen geht es hinab ins Virgental.

Gemütlicher, aber nicht weniger eindrucksvoll ist eine Wanderung auf dem neuen Talrundweg Kals. Auch hier spielt der Großglockner die Hauptrolle. Der 3798 Meter hohe Berg zeigt sich über dem Kalsertal von seiner Schokoladenseite, als schroff gezackte Pyramide hoch über idyllischen, uralten Bauernhäusern. Der knapp 20 Kilometer lange Erlebnisweg verbindet die Naturschönheiten im Angesicht des prominenten Giganten und führt zu Wasserspielplätzen und Wellnessliegen. Höhepunkt ist eine 55 Meter lange Hängebrücke über die atemberaubende Schlucht des Ködnitzbach. Der Kalser Talrundweg ist ein vielschichtiger Weg, bietet Abenteuer und Hintergrundinformation, lässt aber auch viel Zeit für Entspannung und Genuss.

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