Wo See- und Fischadler jagen

Wo See- und Fischadler jagen

Stille Wandertage zwischen Mecklenburgischer Seenplatte und Schaalsee
[Wanderbares Deutschland 2020]

AUF DEM KÄFLINGSBERGTURM kommt mir schlagartig Finnland in den Sinn. Ein »Meer aus Wald, Wiesen und in der Sonne funkelnden Seen« liegt zu unseren Füßen. Orte sind nicht zu sehen. Erst ganz am Horizont, scheinbar unendlich weit entfernt, lassen sich die Kirchtürme von Waren (Müritz) und Neubrandenburg erkennen. »Das geht nur bei klarem Wetter, so wie heute«, schwärmt Matthias Hellmund. »Höher kommt man im Müritz-Nationalpark und in der ganzen Mecklenburgischen Seenplatte nicht«. Gut, dass auch der Ranger beim Nationalparkamt in Hohenzieritz nach den 167 Stufen bis zur Besucherplattform leicht außer Atem ist. Ein Aussichtspunkt ist auch das nächste Ziel der Wanderung auf dem Müritz-Nationalpark Weg. Der Fernwanderweg mit dem »blauen M« durchquert in neun Tagen (auf 175 Kilometern) das »Land der Tausend Seen«. Beste Ausgangspunkte für den Rundweg sind Waren, Neustrelitz oder Wesenberg. Eines der unzähligen großen und kleinen Gewässer der Region ist der nicht weit vom Käflingsberg entfernte Priesterbäker See. Über  unseren Köpfen fliegt ein Trupp Kraniche. Das typische Trompeten der »Vögel des Glücks« ist nicht zu überhören. »Mit etwas Glück«, so Matthias Hellmund, »lassen sich hier auch Seeadler beim Überflug oder gar beim Fischfang beobachten«. Auch der äußerst seltene Fischadler ist im Müritz-Nationalpark beheimatet. Auf geführten Adlersafaris ist die Chance die edlen Greifvögel an ihren Nahrungsplätzen zu sehen am größten. Von den ebenfalls hier heimischen Rohrdommeln ist dagegen in aller Regel nichts zu sehen. »Nur ihre dumpfen
Balzrufe sind im Frühjahr kilometerweit zu hören. « Nicht ganz umsonst trägt der verborgen im ausgedehnten Röhricht lebende Reihervogel auch den uncharmanten Namen »Moorochse«.

DURCH DIE WÄLDER der Mecklenburgischen Seenplatte zu wandern, ist ein Genuss. Häufig verlaufen die markierten Wanderwege auf sandig weichen Böden. Das Frühjahr und der Herbst sind die schönsten Jahreszeiten mit den angenehmsten Wandertemperaturen und dem schönsten Licht. Auch die Tierwelt ist dann am agilsten: die Kraniche sind da und die Rotwildbrunft ist in vollem Gang. Besonders das Ostufer der Müritz – der größte vollständig innerhalb Deutschlands liegende See – ist jeden Spätherbst Schauplatz dieses »einmaligen Klangschauspiels von mindestens 20 verschiedenen Rothirschen, die lautstark um die Gunst der Hirschkühe buhlen«, erzählt mir Matthias Hellmund.

DER SERRAHNER ROTBUCHENWALD nimmt unter den Wäldern des Müritz-Nationalparks eine Sonderstellung ein. Ein vier Kilometer langer Walderlebnispfad verbindet Zinow mit Serrahn und streift dabei auch das Kerngebiet des alten Baumbestandes, der wie auch der Jasmund auf Rügen zum UNESCO Weltnaturerbe zählt. Die mächtigen Bäume wurden Jahrzehnte nicht mehr wirtschaftlich genutzt und der Wald konnte sich frei entfalten. TIPP: Weitere Touren mit den Rangern des Müritz-Nationalparks finden sich im neuen  Veranstaltungskalender „Unterwegs 2020“, erhältlich beim Tourismusverband Mecklenburgische Seenplatte e.V.

ANKE KALBFLEISCH steht im Türrahmen ihres schmucken Forsthofs im winzigen Dörfchen Kneese im Biosphärenreservat Schaalsee und strahlt. »Willkommen in meinem kleinen Paradies«, winkt sie mir zu. Der Wind streift durch die Obstbäume, Vögel zwitschern. Verkehrslärm? Fehlanzeige. Hier ist es herrlich ruhig. Mit dem Rucksack ist die gebürtige Hessin einst in die Welt gezogen. Von Hamburg aus hat sie später die weitere Umgebung erkundet und ist am Schaalsee hängen geblieben. »Die Landschaft hat mich auf den ersten Blick tief berührt«. Einst verlief hier die innerdeutsche Grenze, jetzt das Grüne Band. Der Wanderweg entlang des nach dem Mauerfall entstandenen Biotopverbunds folgt dem Ostufer des Schaalsees. »Die Klosterdreieck Rundtour führt direkt dorthin«, erzählt sie und deutet in Richtung Gartentor. Die Wegweiser der 94 Kilometer langen Wanderung durch das bunte Mosaik aus Wiesen, Wäldern und Seen zwischen Rehna, Zarrentin und Ratzeburg stehen vor ihrem roten Backsteinhaus. Mach‘s einfach, war vor 12 Jahren Anke Kalbfleischs eigener Weckruf, die Zelte in der Großstadt abzubrechen und im Klosterdreieck einen innovativen Neustart zu wagen. Ein eigenes B&B war schon lange der Traum der Weltenbummlerin. »Vegan-vegetarische Ferien zwischen Anglerparadies und Weiden anzubieten war gewagt«, hat sich aber etabliert. »Auch die Seifen und Stoffe in den Zimmern und Ferienwohnungen sind rein pflanzlich«. Meine anfängliche Skepsis vor dem veganen Frühstück weicht schnell Neugier auf die Vielzahl von selbstgemachten Brotaufstrichen, frischen Obstsalaten, Apfelsaft von der kleinen Mosterei im Nachbarhaus, »Tofurella und Freekadellen « und zum Abschluss ein Stück fluffiger veganer »Kneesekuchen«.

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