Neue Perspektiven am doppelten Trauf

Neue Perspektiven am doppelten Trauf

Im Landkreis Göppingen verlaufen 15 Löwenpfade als Rundwanderwege. Eisenbahnfreunde, Botaniker und Geologen finden hier zahlreiche Wandermöglichkeiten.
[Wanderbares Deutschland 2020]

ES SIND NUR EIN PAAR KURZE SCHRITTE bis zum Rand der Klippe. Und es sind Schritte mit „Wow-Effekt“. Erst ganz zum Schluss, wo die Knie wackliger werden, öffnet sich der Blick zum Reußenstein. Wie ein Krähennest hockt die einstige Burgruine auf einem senkrechten Vorsprung über dem Neidlinger Tal. Holger Bäuerle zeigt zur Felswand unter der Ruine. Ich höre ein metallisches Klimpern, dann sehe ich die bunten Punkte an der Wand kleben. „Die Felsriffe am Albtrauf sind schon ein wahres Paradies für Wanderer und Kletterer“. Holger Bäuerles Augen leuchten – oder ist es doch die Sonne? – als er mir von der Vielfalt der Löwenpfade im Landkreis Göppingen erzählt. Dem Mastermind hinter den 15 vom Deutschen Wanderverband zertifizierten Halbtages- und Tagestouren waren neben einer attraktiven Wegstrecke auch die Sichtachsen in der Landschaft besonders wichtig. „Neue Blickwinkel öffnen und Besucher mit neuen Perspektiven begeistern“ funktioniert gerade hier an der Fils und ihren Nebentälern hervorragend. Obwohl die Landschaft dabei trickst. Der „doppelte Albtrauf“ ist keine geologische, greifbare Besonderheit, sondern eine optische Täuschung. Entstanden ist sie durch das tiefe Einschneiden der Fils in paralleler Lage zur Traufkante der Schwäbischen Alb. Besonders schön zeigt sich das auf der „Felsenrunde“. Die Tour zwischen Geislingen an der Steige und Bad Überkingen wurde vor zwei Jahren zum zweitschönsten Wanderweg Deutschlands gewählt.

WIESO EIGENTLICH LÖWENPFADE? Holger Bäuerle zückt sein Handy und zeigt mir ein Foto einer Holzfigur. Eine Art Mischwesen aus Mensch und (Höhlen-)Löwe – rund 40 Tausend Jahre alt und selbst auf dem Handybild von einer fesselnden Magie umgeben. Auch wenn der Löwenmensch 1939 in den Höhlen des Lonetals auf der Südostalb gefunden wurde, ist er längst zum Wahrzeichen der ganzen Schwäbischen Alb geworden. Dass die Raubkatze zur Region gehört zeigt sich auch im Wappen Baden-Württembergs. Die drei schreitenden Löwen lassen sich bis in die Zeit der Stauferkaiser zurückverfolgen. Deren historische Stätten, die stolze Ruine Hohenstaufen am Gipfel des gleichnamigen Berges oder das von dicken Mauern geschützte Wäscherschloss, lassen sich auf den beiden Rundwegen Spielburg-Runde und Staufer-Runde erkunden. Wer noch tiefer in die spannende Geschichte der Staufer, deren bekanntester Vertreter sicherlich Kaiser Friedrich I. – auch als Barbarossa bekannt – war, eindringen möchte besucht die Ausstellung am Fuße des Berges. Auf dem Gipfel können in der Berggaststätte „himmel&erde“ Audio Guides kostenlos ausgeliehen werden: Lieder, Geschichten und Myten erzählen von der wechselvollen Geschichte des Berges und seiner Bewohner.

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