Mit dem Kanu auf dem Hochrhein

Mit dem Kanu auf dem Hochrhein

PADDELVERGNÜGEN ZWISCHEN UNTERSEE, RHEINFALL UND RHEINKNIE

Langsam gleitet unser Kanu ins Wasser, schnell reinspringen,
bevor es zu weit im Fluss ist. Die Füße sind
trotzdem nass geworden. Egal, das wird noch öfters
passieren. Vor uns liegen 150 Kilometer Flusswandern
auf dem Hochrhein, von Stein am Rhein bis Basel.

|Hochrhein Ferienzeitung, April 2014] Der Hochrhein fließt vom Bodensee, genau genommen aus dem Untersee kommend, westwärts bis nach Basel. Ganz unterschiedliche Landschaften prägen die Regionen rechts und links des Flusses. Mal strömt der Rhein durch enge Schluchten, dann wieder schlängelt er sich träge durch dünn besiedeltes Agrarland und schließlich – sich der Industrie- und Kulturmetropole Basel nähernd – auch durch Hafenanlagen und Industrieareale. Egal wie man die Region Hochrhein bereist, ob mit dem Rad am Fluss entlang oder mit dem Kanu auf dem Fluss, Langeweile kommt bestimmt nicht auf. Auch der Charakter des Flusses ändert sich laufend.

Treiben lassen
Zum Auftakt ist die Kanutour wenig anstrengend. Bummeln durch Stein am Rhein steht auf dem Programm, einem der schönsten und besterhaltenen mittelalterlichen Städtchen der Schweiz. Auf dem Fluss ist auch eher gemütliches auf Treiben lassen angesagt, denn wirkliches Paddeln. Mit Schwung verlässt der Rhein den Untersee unter der Rheinbrücke. Der Fluss hat zwar ordentlich Strömung, fließt aber ohne Hindernisse bis Schaffhausen. Nur einmal ziehen wir spontan die Köpfe ein, als wir unter der schönen gedeckten Holzbrücke zwischen Gailingen und Diessenhofen hindurchfahren. Kein Wunder, dass dieser zudem landschaftlich sehr schöne und kulturell interessante Abschnitt die am häufigsten befahrene Strecke des Hochrheins ist. Kanutechnisch ist die Strecke nicht schwierig, aber auch nicht ganz ungefährlich. Paddler müssen hier vor allem auf Kursschiffe, Motorboote und Schwimmer achten. Die Fahrrinne ist mit Fahrwasserzeichen, den Wiffen, markiert. Die Kursschifffahrt fährt auf der grünen Seite, die weiße ist für Paddler am sichersten. Aber Achtung, teils stehen die Zeichen in starker Strömung. Also besser reichlich Abstand halten. Am Ausstieg „Salzstadel“ in Schaffhausen endet die erste Etappe. Weiterfahren ist verboten! Klar, denn der Rheinfall ist nicht mehr weit. Gleich hinter Schaffhausen stürzt sich der Rhein bei Neuhausen tosend über eine 23 Meter hohe, 150 Meter breite Felsstufe in einen gewaltigen, brodelnden und von Gischt erfüllten Talkessel zwischen zwei Burgen. Eine dramatische Szenerie Das hätte kein Dichter besser erfinden können.

Erst steht aber Schaffhausen auf dem Plan. Die „Stadt der tausend Erker“ verdankt ihren Ruhm dem Rheinfall, touristisch, aber auch historisch. Da der Wasserfall die Schifffahrt flussabwärts jäh unterbricht, mussten schon immer Waren und Passagiere auf Wagen und Pferde ausweichen und um das Hindernis herum transportiert werden. Viele der prächtigen Bürgerhäuser in der Altstadt zeigen den Reichtum ungeniert und sind mit üppig verzierten Vorbauten geschmückt. Im Kloster Allerheiligen ist ein bedeutendes Museum zur Vor-, Kunst und Naturgeschichte untergebracht. Ein besonderes Flair umgibt den dazugehörigen Kreuzgang und den anschließenden Kräutergarten. Hoch über der Stadt thront einer Krone gleich der Munot, das Wahrzeichen von Schaffhausen. Moderne Kunst auf Weltniveau zeigen die „Hallen für Neue Kunst“ direkt am Rheinufer. Dort „schwimmt“ auch das hölzerne Schwimmbad mitten im Fluss.

Gezähmter wilder Rhein
Nach dem Rheinfall verlangsamt sich der Lauf des Wassers, fast als müsse sich der Fluss nach dem „großen Sprung“ erholen. Schnell kehrt auch wieder Ruhe ein, vereinzelte Schaumkrönchen wippen noch auf letzten Wellen. Der Rhein wird zur langgezogenen Talsperre und umflutet so die beiden Halbinseln von Rheinau und Altenburg fast wie ein nordischer Fjord. Der Fluss windet sich durch eine schöne Flusslandschaft mit vielen einladenden Rast- und Badeplätzen. Die nehmen wir dankbar an. Denn konnten wir uns bisher meist auf die Strömung verlassen, ist nun Paddeln angesagt. Die drei Wehre des Wasserkraftwerkes Rheinau sind dafür dank automatischer Schienenwagen keine Hindernisse. Auch nach der berühmten Rheinauer Klosterkirche bleiben der Fluss und die ihn umgebende Landschaft beschaulich. Ein echter Geheimtipp ist das winzige Dörfchen Ellikon kurz vor der Einmündung der Thur. Ein lauschiger Biergarten unter alten Kastanien lockt zum Füße ausstrecken. Der Rhein verfällt mehr und mehr in gemächliches Trödeln. Nicht einmal die eindrucksvolle Waldschlucht zwischen Rüdlingen, Tössegg und Eglisau ändert etwas an der Fließgeschwindigkeit. Im Gegenteil, es bleibt reichlich Zeit und Muse das Ufer zu beobachten. Mit etwas Glück sind Biber und Eisvögel zu beobachten. Schuld an der Langsamfahrt ist das vorausliegende Kraftwerk bei Rheinsfelden, dessen Aufstauung fast bis zur Mündung der Thur reicht. Der Wasserstand änderte sich durch den Staudamm so deutlich, dass einige der Eglisauer Häuser direkt aus dem Wasser ragen. Im folgenden, sehr schönen Talabschnitt um Hohentengen macht sich bereits der Rückstau des Kraftwerks Reckingen bemerkbar. Erst danach wird die Strömung wieder deutlich flotter. Kurz nach Kadelburg sogar so flott, dass unerfahrene Paddler aussteigen sollten. Der „Koblenzer Laufen“ (auch Ellikoner Laufen) kündigt sich an. Für die letzte noch verbliebene Stromschnelle am Hochrhein braucht es tatsächlich Wildwassererfahrung. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war der Hochrhein an vielen Stellen ein gefällereicher und reißender Fluss. Immerhin werden auf den 150 Kilometern zwischen Stein am Rhein und Basel auch rund 150 Höhenmeter überwunden. Neben dem Rheinfall, waren mehrere Stromschnellen, die sogenannten „Laufen“ ein ernstes Hindernis für Schifffahrt und Transport. Es liegt nahe, einen solchen auch zwischen den beiden historischen Städtchen Laufenburg (Baden) und Laufenburg (Aargau) zu vermuten. Richtig geraten. Doch dieser einst besonders gefürchtete Wildwasserabschnitt liegt heute unterhalb des auch hier aufgestauten Rheins. Im 20. Jahrhundert begann man das Energiepotential des reißenden Flusses durch Flusskraftwerke zu nutzen. Der Charakter des Hochrheins wurde so nachhaltig verändert. Vor insgesamt 13 Wehren staut sich nun der Fluss. Einige der Kraftwerke, Industriedenkmale aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts wie moderne Anlagen, können nach Voranmeldung besichtigt werden. Immer wieder spannend ist auch das Umsetzen der Kanus an den Stauwehren: Da gibt es automatische Schienenwagen, Bootslifte, Rollenbahnen, wie auch von Hand zu schiebende Bootswagen. Größere Schiffe benutzen dagegen die Schleusen, die alle schiffbaren Bereiche des Hochrheins erschließen. Es ist ein Erlebnis, einer solchen Schiffshebung zuzuschauen. […]

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