Wasser vom »Dach Europas«

Wasser vom »Dach Europas«

Von den Höhen des Fichtelgebirges fließen vier Hauptflüsse in alle vier Himmelrichtungen. Das kühlende und gesunde Nass spielt im Nordosten Bayerns eine wichtige Rolle.

WOHIN SOLL’S DENN GEHEN? Die Frage wird sich wohl jeder Wassertropfen im Fichtelgebirge stellen. Mit der Sächsischen Saale nach Norden, zur Elbe? Mit der Eger nach Osten, in Richtung Tschechien? Mit der Fichtelnaab nach Süden, zur Donau und weiter ins Schwarze Meer oder mit dem Weißen Main nach Westen? Wanderer haben es einfacher. Die schnüren sich im adretten Münchberg die Schuhe und besuchen auf dem Quellenweg die vier wichtigsten Ursprünge. Ziel nach 52 Kilometern quer über die europäische Hauptwasserscheide ist Marktredwitz.
Die Quelle der Rösla wollen wir nicht unterschlagen. Hinsichtlich ihrer stillen, versteckten Lage am steilen Ostabhang des Schneeberges ist sie die vielleicht schönste. Auch der Lamitzbrunnen ist so ein Geheimtipp, überragt von der mächtigen Felsenburg des Hohen Steins.

Insgesamt sind es 1200 kartierte Quellen. Nicht selten speisen die Bachläufe kleine Weiher und teils erstaunlich weitläufige Moore, die Dank der Renaturierungsmaßnahmen durch die Bayerischen Staatsforste wiederbelebt werden. Sie gehören zum Fichtelgebirge dazu, wie viele Geschichten über Elfen und Kobolde, von wilden Jägern und braven Moosweiblein berichten. Immerhin liegen die größten Moore Nordbayerns sämtlich im Naturpark Fichtelgebirge, darunter das Fichtelseemoor. Hier muss man früh morgens unterwegs sein. Ein Bohlenweg durchquert eine Landschaft wie in Skandinavien. Wollgras wippt im sanften Wind, letzte Nebelschwaden legen sich glitzernd auf Moosteppiche, verfangen sich in knorrigen Bergkiefern, der Sonnentau macht »Jagd« auf Insekten und die Flügel von Libellen glitzern im ersten Sonnenlicht. Das
höchstgelegene Moor Nordbayerns breitet sich am Backöfle auf dem Schneeberg aus, mit – 1051 Metern der höchste Berg Frankens.

Gegenüber ragt der zweite »Eintausender« im Fichtelgebirge auf – der mit zwei Seilbahnen erschlossene Ochsenkopf. Wer in ganz alten Karten stöbert, wird ins Stocken kommen. Der Berg,  ja das ganze Gebirge, hieß im Mittelalter noch »Vythenberg«, später dann »Vichtelberg«, wohl
abgeleitet von Vitus, einem der vierzehn Nothelfer und Schutzpatron in der Grube »St. Veith« aus dem 14. Jahrhundert. 300 Jahre später, mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts, erstarkte der Bergbau am nun Ochsenkopf genannten Berg. Eindrucksvoll sind die wie an einer Perlenschnur
aufgereihten, wassergefüllten Grubenlöcher. Am markierten »Bergwerksweg« und im Besucherbergwerk Gleißinger Fels kann die 500-jährige Geschichte der mühsamen Suche nach Silbereisen und Proterobas erkundet werden – aus dem dunkelgrünen Porphyr wurden früher unter anderem Glasknöpfe, Perlen und Hohlgläser hergestellt. Neben Holzkohle wurde für die eisenverarbeitenden Betriebe auch sehr viel Wasser benötigt. Zu dessen Förderung wurde im Jahr 1797 unter anderem der Bocksgraben angelegt, dessen horizontalem Verlauf man heute noch auf dem »Bocksgrabenweg « folgen kann.

Am Südwesthang des Ochsenkopfmassivs zapft die Stadt Bayreuth in den Tälern des Grassemannbaches und des Kleinen Moosbaches gut ein Fünftel ihres Trinkwassers ab. Wie gut das Wasser aus dem Fichtelgebirge ist, schmeckt man, wenn man am Hauptsammler im Löchleinstal einen erfrischenden Schluck aus dem Trinkbrunnen nimmt – oder sich ein Glas Maisel Bier gönnt. Die Bayreuther Brauerei braut mit Quellwasser vom Ochsenkopf.

Neugierig geworden? Im wanderbar! 2025 geht es weiter. 

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